VON HEIDRUN MEYER
SITTENSEN. Alle Vertragsarztsitze in ihrem Zuständigkeitsbereich wird die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen künftig nicht neu besetzen können. Eine lokale Unterversorgung sieht Thomas Köhnken von der Bezirksstelle Stade deshalb jedoch nicht. ,,Das jetzige Versorgungsniveau ist gut, das wollen wir halten", verdeutlichte er in seinem Referat über die Zukunft der ärztlichen Versorgung bei der jüngsten Sitzung des Seniorenbeirates der 5amtgemeinde Sittensen.
Ein Problem sei die Suche nach Nachfolgern. ,,Zwar gibt es in der Summe laut Statistik mehr Arzte, aber die Jüngeren möchten flexibler und arbeitsteilig beschäftigt sein und Beruf und Familie mehr vereinbaren können. Insofern stehen sie zeitlich weniger zur Verfügung. Auf dieser Basis Hausarztpraxen in ländlichen Gebieten zu besetzen, ist schwierig", unterstrich Köhnken.
Je weiter ein Praxisstandort von Großstädten entfernt sei, desto unattraktiver stelle er sich aus Sicht junger Arzte dar. Und er wies auf eine weitere Unwägbarkeit hin: die demografische Entwicklung. Inzwischen gebe es einen ,,Altersberg" von Arzten mit einem Durchschnittsalter von 56 |ahren, 30 Prozent der Hausärzte seien über 60 Jahre alt. Die Versorgung in der Region sei gut.
Die Vorgabe, in zehn Minuten einen Hausarzt zu erreichen, werde erfüllt, ,,auch wenn es nicht der Lieblingshausarzt ist." Aber: Nicht jeder kann sich einfach irgendwo niederlassen. Dazu gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Bedarfsplanung, die für eine möglichst gleichmäßige Verteilung von vertragsärztlichen Ärzten sorgen soll.Will heißen: Die Anzahl der Sitze in einem bestimmten Planungsbereich sind konkret festgelegt.
Die Samtgemeinde Sittensen gehört zum Mittelbereich Zeven, und der ist laut Köhnken rein rechnerisch sogar überversorgt. Konsequenz: Dieser Bereich ist für Praxisneugründungen gesperrt. Die Grenze ist erreicht, wenn der Versorgungsgrad über einem bundeseinheitlichen Normwert (110 Prozent) liegt.
Region überversorgt
Im Mittelbereich Zeven sind es über 112 Prozent. Enttäuschtes Raunen machte sich unter den Senioren breit. ,,Dann sind ja unsere Bemühungen um einen Augenarzt oder Kinderarzt umsonst", äußerte sich Bürgermeister Heinz-Hermann Evers. Nach Aussage des Referenten gibt es auch das Zweitpraxis-Modell, bei dem ein Facharzt an einem anderen Standort Sprechstunden an ein oder zwei Tagen wöchentlich anbietet. Das sei aber oft nicht wirtschaftlich.
Dieses Modell läge außerhalb der Bedarfsplanung und müsse beantragt werden. ,,Und es muss ein Arzt gefunden werden", gab Köhnken zu bedenken. Auf Nachfrage erklärte er, wie sich der Versorgungsgrad errechnet. Demnach sollen für eine bestimmte Bevölkerungszahl Ärzte zur Verfügung stehen - derzeit für 1700 Einwohner ein Arzt. Hinzu komme der Demografiefaktor. Denn aufgrund der Altersstruktur eines Planungsbereichs werden ärztliche Leistungen unterschiedlich in Anspruch genommen.
Junge Arzte suchten nach Anstellungsmöglichkeiten oder Kooperationen, so wie in Medizinischen Versorgungszentren, die auch von einer Gemeinde betrieben werden könnten, erklärte Köhnken. Einzelpraxen in kleinen Gemeinden wieder zu besetzen, werde immer schwieriger. Gegen die Selbständigkeit sprächen für junge Arzte die Arbeitsbelastung, unregelmäßige Arbeitszeiten, das finanzielle Risiko sowie mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
,,Wir müssen umdenken. Die neue Generation will anders arbeiten. Den typischen Hausarzt, der Tag und Nacht da ist, wird es nicht mehr geben. Eine Chance auf Fachärzte haben wir nicht, und auf wechselnde Arzte in einer Praxis werden wir uns auch einstellen müssen", brachte es Jutta Fettköter vom Vorstand des Sittenser Seniorenbeirates auf den Punkt.